Ausstellung im Deutschen Technikmuseum / Industriefotos von Albert Renger-Patzsch vom 19. April bis 16. Juli 2017

Das Deutsche Technikmuseum in Berlin zeigt vom 19. April bis zum 16. Juli aus seinen Archiv-Beständen 23 Original-Abzüge der Zündapp-Werksfotografien von Albert Renger-Patzsch (1897-1966), einem der bedeutendsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Die Mofa- und Motorradmarke Zündapp erscheint heute wie ein Spiegel deutscher Industriegeschichte: Gegründet vor hundert Jahren – mitten im Ersten Weltkrieg –, wurde das Unternehmen schnell zum Inbegriff für Zuverlässigkeit und Präzision. Zu seinen besten Zeiten zählte der mittelständische Betrieb 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In der globalisierten Wirtschaft konnte sich das Unternehmen jedoch nicht halten und verschwand in den 1980er Jahren vom Markt. Aus Anlass des Zündapp-Gründungsjubiläums wirft das Deutsche Technikmuseum in Berlin einen Blick auf die Blütezeit der Firma: mit Fotos des legendären Fotografen Albert Renger-Patzsch (1897-1966), einem der wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Renger- Patzsch besuchte 1930 das nagelneue Werk in Nürnberg und machte dabei Aufnahmen von hohem künstlerischen Anspruch. Sie sind zugleich wichtige Dokumente der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

In der Galerie Fototechnik des Museums werden 23 schwarzweiße Originalabzüge von 1930 gezeigt. Die Präsentation wird ergänzt durch ein Motorrad „Z300“ – exakt jener Typ, der auf den Bildern montiert wird. Kuratiert wurde die Ausstellung von Lars Quadejacob, Leiter der Abteilung Landverkehr des Museums.
Erfolg durch Rationalisierung Gegründet wurde die Firma „Zünder-Apparatebau GmbH“ im September 1917 in Nürnberg – wie der Name schon andeutet, vor allem zur Herstellung von Rüstungsgütern. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs suchte das Unternehmen neue Betätigungsfelder und fand diese im Bau von „Motorrädern für jedermann“. Durch damals hochinnovative Fließbandfertigung konnte der Preis mit 1.425 Reichsmark schon beim ersten erfolgreichen Serienmodell „Z22“ vergleichsweise niedrig gehalten werden – ein Kleinwagen kostete das Zwanzigfache. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Bis Ende der 1930er Jahre stieg Zündapp zu einer der fünf größten Motorradfabriken Europas auf und profitierte im Krieg erneut von Rüstungsaufträgen, dem es zehntausende Motorräder an die Wehrmacht lieferte. In den 1950er Jahren konnte man mit Modellen wie dem „Grünen Elefanten“ KS 601 oder dem Motorroller „Bella“ an frühere Erfolge anknüpfen und trug zur Mobilisierung der Bevölkerung im Wirtschaftswunder bei. Ende der 1970er Jahre verlor das Unternehmen jedoch den Anschluss an die japanische Konkurrenz und musste Konkurs anmelden.

Das Zündapp-Archiv im Deutschen Technikmuseum

Das seit den 1960er Jahren in München angesiedelte Werk wurde 1984 an ein chinesisches Unternehmen verkauft, das es komplett demontierte und im heimischen Tianjin wiederaufbaute. Zugleich gelang dem gerade im Entstehen begriffenen Berliner Museum für Verkehr und Technik, dem heutigen Deutschen Technikmuseum, ein erster Coup: Es konnte das gesamte Zündapp-Archiv übernehmen. Dazu gehörten viele Fahrzeuge, darunter auch das Ergebnis eines kurzlebigen Versuchs des Unternehmens, ins PKW-Geschäft einzusteigen: Das Kleinauto „Janus“, in dem der Fahrer und ein einziger Beifahrer Rücken an Rücken Platz nahmen. Heute wird das Kuriosum in der Dauerausstellung Straßenverkehr „Mensch in Fahrt – Unterwegs mit Auto & Co.“ in der Ladestraße des Museums präsentiert.

Industrieobjekte erhalten Kunstrang

Zu dem damals übernommenen Archivmaterial gehört auch ein wertvoller Fotoschatz, der in die erste Blütezeit des Unternehmens in den 1920er Jahren zurückführt: insgesamt 62 Aufnahmen des Fotografen Albert Renger-Patzsch. Der Autodidakt arbeitete seit 1925 als selbstständiger Fotograf, ab 1929 wurde die Industriefotografie zu seinem Schwerpunkt. Wie Kurator Lars Quadejacob erklärt: „Als Vertreter der Neuen Sachlichkeit lenkt Renger-Patzsch den Blick des Betrachters auf die Oberfläche – auf die Struktur und Form der Objekte. Technische Apparaturen und nüchterne Zweckformen erhalten dabei durch ihre Wiederholung einen eigenen ästhetischen Reiz. In den Zündapp-Fotografien sind diese Elemente ganz deutlich zu erkennen: Exakt in Reihe stehende Motorräder zeigen ornamentale Qualitäten, Handräder an Maschinen wirken wie abstrakte Malerei, die Sheddächer der Fabrik werden zu einem Spiel von Linien. Dadurch holte der Fotograf Themen in die bürgerliche Kunstwelt, die bis dahin als schmutzig, proletarisch und als ‚nicht bildwürdig‘ galten.“ Auch darüber hinaus sind die Bilder ein soziales Dokument, zeigen sie doch raue Arbeitsbedingungen: Der Arbeiter am Säurebad trägt keine Schutzbrille, offene Transmissionsriemen durchziehen die Hallen und der Lackierer trägt keinen Atemschutz. Und schließlich dokumentierte Renger-Patzsch Wirtschafts- und Industriegeschichte: Überall dominiert das Fließband, damals eine gerade eingeführte Errungenschaft, der Zündapp seinen Erfolg entscheidend verdankte.

Hundert Jahre Zündapp: Industriefotos von Albert Renger-Patzsch
Sonderausstellung | Laufzeit: 19. April bis 16. Juli 2017 |
Deutsches Technikmuseum | Trebbiner Str. 9 | 10963 Berlin |
Beamtenhaus: 2. OG, Galerie in der Fototechnik-Ausstellung |
Di-Fr: 9-17:30 Uhr | Sa, So, Feiertage: 10-18 Uhr | Montag geschlossen |

Titelbild: © Albert Renger-Patzsch Archiv/ Ann und Jürgen Wilde/ VG Bild-Kunst,
Bonn 2017

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