Die Mauer ist gefallen. In Berlin fügen sich die Nähte einer zweigeteilten Stadt wieder zusammen. Eine intensive Zeit, die die Menschen – Zugezogene wie Urberliner aus Ost und West – unter den verschiedensten Blickwinkeln wahrnehmen. Die Ausstellung „Auf der Suche nach der vorhandenen Zeit“ gewährt, durch die Augen zweier Fotografen fragmentarische Einblicke. Lena Szankay und Rolf Zöllner richten den Blick auf „ihr Berlin“ aus völlig unterschiedlichen Lebenskontexten. Sie treffen sich auf der Schnittstelle eines neuen, alten Berlins. Augenscheinlichen verbindet beide ihre große Liebe zu der Stadt – gerade noch Insel – bald schon Hauptstadt eines Wieder-Gesamt-Deutschlands. „Die Berliner Bilder sind in der unmittelbaren Nachwendezeit ganz aus dem Jetzt entstanden. Nicht Nostalgie, sondern eine große Neugier spricht aus den Arbeiten der beiden Fotografen, die mit ganz unterschiedlichem Hintergrund die Stadt durchstreiften,“ so der Grundgedanke von Julie August (www.julieaugust.de), die die Ausstellung, die im Rahmen des EMOP (European Month of Photography) (www.emop-berlin.eu) in der Galerie Woyy (www.woyy.de) gezeigt wird, kuratiert hat.
Gruppenbild v.li. Zöllner, Szankay, Wollny: © Anke Sademann
Berlin 1989, Mauerstrasse © Lena Szankay
Lena Szankay (www.lenikem.com) erzählt von prekärem Studentenleben und alternativer Szene, von Aufbruchstimmung und Veränderung, von der Magie, die die rasch sich verändernde Stadt auf die junge Frau aus Argentinien ausübt. Berlin ist Probenraum und Bühne, die Fotografie-Studentin weder Schauspielerin noch Zuschauerin. Auch sie probiert sich aus und findet Bilder, die das Lebensgefühl einer Kreuzberger Generation repräsentieren. Rolf Zöllner (www.rolf-zoellner.de) hingegen ist Berliner, und dennoch ist auch er auf Entdeckungsreise. Im Osten der Stadt aufgewachsen, hatte er sich bereits als Fotograf etabliert, als die Mauer fiel und sich damit buchstäblich sein städtischer Bewegungsspielraum verdoppelte. Sein Interesse gilt den Bewohnern der Stadt und den (teils absurden) Situationen, in die sie geraten.
Berlin 1990, Laden in der Oranienstrasse © Lena Szankay
Auf dem handabgezogenen, kartonierten Barytpapier klebt der Schwarz-Weiß (Grau) Schleier einer morbiden Ost-Melancholie, dem zaghaften Mut zum Neubeginn, aber auch der Abschied von einer Zeit, die Nicht-Zeitzeugen etwas Filmisches, Surreales und nicht mehr Greifbares vermittelt. Eine verlorene Zeit, die durch die situativen Bildzeugnisse und Momentaufnahmen der beiden Fotografen wieder zum Leben (und einem zeitlichen Vorhandensein) erweckt wird. Die Ausstellung ist noch bis zum 4.11.2018 in der Galerie Woyy in der Gustav-Müllerstr. 15 in Schöneberg zu sehen.
Rezension: Anke Sademann

Deutschland, Berlin, 15.04.1991, Kollwitzstrasse , Ecke Belforter Str., © Rolf Zoellner.
Biografien der Fotografen
Lena Szankay (www.lenikem.com), geboren in Buenos Aires kam genau zur Zeit der Wende nach Berlin, um am Lette-Verein Fotografie zu studieren. Sie ist eine der Gründerinnen des RAW-Tempel in Kreuzberg-Friedrichshain, wo sie auch eine Fotogalerie (die schautankstelle) ins Leben rief. Zurzeit lebt sie in Buenos Aires, wo sie Fotografie an der Universität lehrt. Drei Jahre hatte sie eine eigene Kolumne über Bildende Kunst im Kulturmagazin der Zeitschrift „Clarin“. Ihre Arbeiten befinden sich in öffentlichen Sammlungen und Museen, wie Museo Nacional de Bellas Artes, Buenos Aires, Fototeca Latinoamericana, Buenos Aires, Caraffa Museum Córdoba u.a.

Deutschland, Berlin, 29.05.1990, Strassenbahnhaltestelle, Wartehaeuschen, wartende (DDR) Buerger suchen Schutz vorm Regen (unterstellen), Werbubg (DDR): „Minol zur Spitze, Berlin-Weissensee, © Rolf Zoellner,
Rolf Zöllner (www.rolf-zoellner.de) wurde 1953 in Chemnitz geboren. Nach einer Lehre zum Elektrofacharbeiter arbeitete er als Elektromonteur auf Großbaustellen der DDR und von 1978 bis 1987 in Marzahn. Ab 1984 nahm er am Fotozirkel des Kreiskulturhauses Prater im Prenzlauer Berg teil und war von 1988 bis in die Wendezeit als freier Filmfotograf für das Fernsehen der DDR tätig. Als Fotograf, der dem Zeitgeist auf der Spur ist, arbeitet Rolf Zöllner für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften und ist an mehreren Büchern beteiligt, u.a. »Keine Gewalt«, »Olle DDR, Szene Scheunenviertel, »Leben im Prenzlauer Berg. Seine Arbeiten sind in den Sammlungen des Deutschen Historischen Museum, des Sorbischen Museum, des Märkischen Museum und des Hauses der Geschichte der BRD vertreten. Er wird von der Agentur imago vertreten.

Berlin, Mai 1989 © Lena Szankay
Adresse:
Galerie Woyy / Inhaberin: Maria Wollny
Gustav-Müllerstr. 15
10829 Berlin
Öffnungszeiten:
Mittwoch-Samstag 15-18 h
Finissage: Sonntag, 4.11.2018, 19 Uhr
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